Xingchen spürte Mut jeder Sekunde die verging, dass Xue Yang sich mehr entspannte. Er konnte es regelrecht vor sich sehen - es war, als würde er Xue Yangs Stimmung in Farbe um diesen herum sehen. Xingchen hatte sowieso das Gefühl, dass er die Stimmung seines Mitschülers besser wahrnehmen konnte, als bei allen anderen. Irgendwie hatten sie eine spezielle Verbindung. Es war so vertraut, weshalb der Kuss sich irgendwie normal anfühlte. ,,Schon gut. Es braucht auch nicht immer Worte zur Kommunikation. Ich glaube, du hast gespürt, wofür ich mich entschieden hatte." Sagte Xingchen mit einem Lächeln, doch er meinte es ernst. ,,Hätte ich es nicht gewollt, dann hätte ich deine Hand losgelassen." Wieder streichelte seine Hand sanft über Xue Yangs Rücken, hinauf zu seinem Nacken, wo er ihn leicht kraulte. Xingchen bemerkte nun Xue Yangs Blick und kurz befürchtete er, dass die Sache mit dem Kuss wohl etwas zu eigenartig gewesen war, doch sein Mitschüler wirkte immer noch entspannt unter seiner Hand. Sicher wunderte er sich. Bevor Xingchen aber dazu kam, sich zu erklären, redete Xue Yang schon weiter und nun musste Xingchen lachen. ,,Du hast recht. Und ich dürfte bei Hagel nicht vor die Tür gehen. Das könnte sonst gefährlich werden." Scherzte er. Er mochte Xue Yangs Denkweise. Sie war so herrlich erfrischend. Er wollte dann schon von Xue Yang ablassen, weil er befürchtete, dass diesem die Berührung vielleicht irgendwann zuviel werden könnte, doch da spürte er, wie dieser sich sogar mehr an ihn ranlehnte. Xingchen spürte, wie sich eine angenehme Wärme in ihm ausbreitete. Dieses Gekuschel mit ihm gefiel ihm. ,,Nicht das ich wüsste. Blindheit beeinflusst, meines Wissens, nur das Sehen." Sagte er gespielt nachdenklich. ,,Vielleicht sollte ich darüber mal einen Vortrag halten und meine Eltern gleich dazu miteinladen. Die können da auch noch was lernen." Trotz seines Lächelns seufzte er, doch dann hörte er ein Rascheln von Papier und er grinste bei Xue Yangs Frage. Er hatte schon öfter bemerkt, dass dieser gerne Süßigkeiten aß. Außerdem roch er manchmal sehr süßlich, das mochte Xingchen. ,,Nur Zucker? Klingt gut. Einen kleinen Energieschub kann ich vertragen." Überlegte er, nickte dann aber, als Xue Yang vom Weitergehen sprach. ,,Welchen Ruf sollte ich mir denn zerstören? Den des unbeholfenen Langweilers? Ich befürchte eher, dass ich deinem Ruf schade." Er schmunzelte und ließ dann etwas widerwillig von Xue Yang ab, bevor er sich in Bewegung setzte. ,,Aber sag mal... schläfst du nicht gut? Du wirkst sehr müde. Das hab ich gestern schon gespürt." Sagte er nun, während er wieder nach Xue Yangs Hand griff und weiterlief.
Wei Wuxian wartete sehr ungeduldig auf eine Antwort, doch dieser fiel nicht so aus, wie erhofft. Er sah Lan Zhan irritiert an. ,,Lan Zhan!" Klagte er und legte seinen Kopf auf den Beinen seines Mitschülers ab. Nun glich er wirklich einem bettelnden Hund. Doch da kam auch schon Direktor Mobei herein und gleich fühlte es sich im ganzen Klassenzimmer 10 Grad kühler an. Dieser Mann war wirklich respekteinflößend. ,,Oh, verdammt... Das ist mein Untergang." Jammerte Nie Huaisang im Hintergrund und drückte damit genau Wei Yings Gefühle aus. Doch keine zwei Sekunden später hellte sich Wei Yings Miene wieder auf. Er hatte schon einen Plan. ,,Ah!" Sagte er und erhob sich, klopfte Lan Zhan auf die Schulter, als Zeichen, dass alles gut war. Dann setzte er sich schnell auf seinen Platz. Direktor Mobei begann auch gleich mit dem Unterricht und sein erstes Opfer war Nie Huaisang. Dieser stammelte nur, dass er seinen Aufsatz zuhause vergessen hatte. Doch der Direktor war gnadenlos. ,,Nachsitzen." Sagte er düster, woraufhin Huaisang sich hinter seinem Erdkundebuch versteckte und etwas vor sich hin jammerte. ,,Wei Ying. Ihr Aufsatz bitte." Kam es bestimmend von ihm. Wei Ying erhob sich und lächelte charmant. ,,Direktor, ich dachte mir, dass ich anstelle eines Aufsatzes einen kleinen Vortrag zum Thema vorbereite. Passend zum Thema natürlich. Darf ich?" Fragte er und kam einfach nach vorne, dort schrieb er das Thema an die Tafel und begann einfach zu reden. Natürlich hatte er nichts vorbereitet, doch er wusste ekn bisschen was zu dem Thema, weshalb es ihm nicht schwer fiel, einfach drauf los zu reden. Rektor Mobei begutachtete ihn erst skeptisch, doch dann hörte er interessiert zu und nickte leicht. ,,Vielen Dank für den Vortrag, Wei Ying. Dennoch hätte ich das Ganze morgen gerne noch schriftlich." Wei Ying sah ihn ungläubig an und wollte schon diskutieren, entschied sich aber dagegen, weil er zumindest dem nachsitzen entkommen war. Das war bei Rektor Mobei nämlich immer sehr schrecklich. Als er zu seinem Tisch zurück ging, warf er Lan Zhan einen fröhlichen Blick zu. Huaisang tat ihm dagegen leid, er sah nun wirklich miserabel aus.
Lan Huan schien kurz nachzudenken, ob er Jiang Cheng seine Geheimnisse verraten konnte und kam wohl zu dem Entschluss, dass es okay war, wenn er davon wusste. Wieso auch nicht? Jiang Cheng war keine Person die an Tratsch Interesse hatte. Er war eher der verschwiegene Typ und stand oft nur dabei, wenn Leute sich unterhielten. Er war auch an sich nicht neugierig, was das Privatleben anderer anging, doch bei Lan Huan war es was anderes – nun war er doch sehr gespannt, welche Leichen dieser im Keller hatte. So nickte er nur leicht, als der Schulsprecher fragte, ob er sich an den letzten Sommer erinnern konnte. Klar doch! Das war die beste Zeit überhaupt gewesen! Jeden Tag um 12 Uhr Schluss und vor dem Jobben noch etwas Zeit um mit Huiasang irgendwo rumzuhängen. Grandios! Etwas, was er sich kommenden Sommer wieder wünschte. Doch dann begann Lan Huan zu erzählen und Jiang Chengs Blick wurde dabei immer ungläubiger. Er blinzelte am Ende der Story überrascht, legte dann den Kopf leicht schief und grinste . „Lan Huan! Du hast ja ganz schön Dreck am Stecken. Wer hätte gedacht, dass unser Musterschüler solche illegalen Dinger dreht.“ Jiang Cheng war nun echt beeindruckt und das sah man ihm auch an. „Hätte der Rektor das mitbekommen, hätte er dich übers Knie gelegt.“ Zog er ihn auf und war im selben Moment überrascht, dass er so einen Kommentar rausgehauen hatte. Wei Ying war manchmal schon ansteckend – das war nämlich eigentlich sein Spruch. Jiang Cheng schüttelte amüsiert den Kopf und klopfte Lan Huan dann leicht auf die Schulter, als dieser schon ein Alibi für ihr Zuspätkommen zurecht gelegt hatte. „Scheinbar hat es Vorteile, mit dem Schulsprecher rumzuhängen. Das muss ich mir merken.“ Eigentlich wollte Jiang Cheng dabei garnicht so flirty klingen, wie er es eigentlich tat, weshalb er sich räusperte. „Aber sag mal... wenn wir jetzt eh schon zu spät sind, kommt es doch auf zwei Minuten auch nicht mehr an, oder?“ Jiang Cheng schob eine Packung Zigaretten aus seiner Jackentasche hoch, sodass Lan Huan sie sehen konnte. Natürlich ganz versteckt und er war sich sicher, dass sein Mitschüler ihn nicht verraten würde. „Dann würd ich noch einen Abstecher zu den Mülltonnen machen.“ Er zwinkerte ihm zu. Eine Zigarette vor dem Unterricht war immer sein Ritual und normalerweiße war er dabei in Gesellschaft von Xue Yang. Die beiden waren keine Freunde, doch auf einer bestimmten Ebene verstanden sie sich. So trafen sie sich eigentlich jeden Morgen bei den Mülltonnen, rauchten zusammen und wechselten ein paar Worte. Doch so spät wie es heute war, war Xue Yang sicher schon weg. Schon ironisch eigentlich. Denn wie auch Xue Yang, eilte auch Jiang Cheng ein gewisser Ruf voraus. Die meisten ließen ihn in Ruhe aufgrund seines mürrischen Auftretens.