Huaisang nickte erleichtert, als Mingjue sagte, dass es Cheng wohl schon etwas besser ging. Er konnte es kaum erwarten, ihn morgen endlich aufzunehmen und sich nicht ständig Sorgen darüber zu machen, ob es seinem Freund zuhause gut ging. Doch dann lies Huaisang sich wieder dazu hinreißen, mit Yao einen kleinen Kampf auzutragen. Meng Yao war ein rotes Tuch für Huaisang und er wollte ihn einfach nicht in Mingjues Nähe sehen. Doch dass sein Bruder nun so durchgreifen würde, damit hatte Huaisang nicht gerechnet. Er blinzelte Mingjue für einen Moment ungläubig an, zog dann leicht den Kopf ein, als sein Bruder ihn ermahnte. „Da-Ge...“ Sagte er leise, hörte aber sofort auf, als sein Bruder seinen kompletten Namen benutzte. Oh je... das war nie ein gutes Zeichen. Huaisang senkte den Blick, sah seinem Bruder aber einen Moment von unten hoch nach und seufzte dann leise. „Tut mir leid.“ Sagte er nun sehr bedrückt. „Ich will dich da nicht mit reinziehen, aber Yao ist für mich einfach ein rotes Tuch...“ Seufzte Huaisang und sah schuldbewusst zu Zixuan auf. „Ich versuche mich mehr zusammen zu reißen, ja?“ Murmelte er leise. „Ich werd dir das alles irgendwann mal genauer erklären, ja?“ Versprach er Zixuan.
Als Mingjue plötzlich so dazwischen ging und Yao und Huaisang regelrecht verbal an den Haaren auseinander zog, stutzen sowohl Yao, als auch Huaisang erst einmal. Yao konnte garnichts sagen, er hatte nicht damit gerechnet, dass Mingjue so reagieren würde. Ihm stand etwas der Mund offen, als er schon Mingjues Hand an seinem Rücken spürte, die ihn mit sanftem Druck Richtung Ausgang schob. Yao sah wie sein Vater skeptisch zu ihnen blickte. Wieso war der denn schon wieder zurück? Yao versuchte sein Gesicht zu wahren und ging einen Schritt schneller. Draußen angekommen, wollte Yao schon etwas sagen, als Mingjue sich plötzlich so entlud. Yaos Augen wurden dabei immer größer. Erst vor Überraschung, dann vor Schreck, dass Mingjue ihn gerade so anfuhr. Allerdings senkte er nach den ersten Sätzen schon schuldbewusst den Blick und das war dieses Mal nicht gespielt. Mingjue hatte damit recht. Huan dachte immer zuerst an andere und Yao wurde klar, dass er gerade vielleicht wirklich zu sehr seinen eigenen Film gefahren hatte. Doch in seiner Welt war eben alles nicht so einfach. Das kleine bisschen Zuneigung, das er von seinen wenigen Freunden hatte, wollte er nicht auch noch verlieren. Yao machte keine Anstalten, Mingjue ins Wort zu fallen. Er spürte, dass dieser das wohl gerade brauchte und dabei wurde Yao immer kleiner. Zumindest fühlte er sich so. Er schüttelte nur sehr deutlich den Kopf, als Mingjue fragte, ob er wieder an den Punkt zurück wollte, an dem sie sich letzte Woche befunden hatten. Sein Herz hämmerte ihm hart und schmerzhaft in der Brust und er hob einmal leicht den Blick, als Mingjue sagte, dass er ihm immer noch etwas bedeuten würde. Das klang so befremdlich für Yao. Diese Worte hörte er nie. Zumindest nicht im Bezug auf sich selbst. So etwas von Mingjue zu hören, tat gleichzeitig gut und war auch irgendwie schmerzhaft. Yao musste für einen Moment wieder daran denken, wie dieser im Zeltlager seine Matte mit ihm geteilt hatte und wie es an dem Morgen gewesen war, so behütet aufzuwachen. Ein Gefühl, das Yao sonst nie hatte. Normal beschützte und behütete ihn niemand. Er nahm garnicht wahr, wie sich auch seine Augen mit Tränen füllten, während er den Kopf wieder senkte. Jedes Wort mehr, fühlte sich an wie ein Messerstich. Yao wusste, dass Mingjue recht hatte. Huan durfte man sicher wirklich keinen Vorwurf machen, aber es tat einfach so weh zu sehen, wie glücklich er mit Cheng war. Yao hatte große Angst davor, nun doch aus Huans Leben gedrängt zu werden. So war es immer... Menschen ersetzten Personen, die ihnen angeblich wichtig waren durch andere...
Dann hob Yao aber nochmal reflexartig den Blick, als Mingjue sagte, dass er sich sicher war, dass Huan für Yao sehr viel wichtiger sein musste, als er. ,,Nein,... so ist das nicht..." Stammelte Yao, doch er war sich nicht sicher, ob Mingjue das gehört hatte, denn dieser war noch immer nicht fertig. Ihm liefen nun doch ein paar Tränen über Wangen und er sah auch sehr deutlich, wie aufgewühlt Mingjue nun war. War das seine Schuld? Hatte er es geschafft, diese Emotionen in Mingjue zu regen? Als dieser dann sagte, dass Yao ihm etwas bedeuten würde, spürte er, wie es ihm kurz die Kehle verschnürte, bevor ein leises, aber verzweifeltes Schluchzten Yaos Lippen verließ und er in Scham den Blick wieder senkte. Es gab so vieles, was er gerne sagen wollte, doch es fühlte sich so an, als würde er nicht über die Fähigkeit verfügen, seine Gefühle und Ängste in Worte zu fassen. Er schaffte es auch für einen Moment nicht, Mingjue ins Gesicht zu sehen, denn er konnte es kaum ertragen, diesen verzweifelten Ausdruck im Gesicht seines Freundes zu sehen. Nicht, wenn er dafür verantwortlich war... ,,Ich will einfach nicht mehr-" Sagte Yao mit gebrochener Stimme. ,,Ich will einfach nicht mehr alleine sein." Schluchzte er und sah auf dem Beton zwischen ihnen, wie seine Tränen auf den Boden tropften. ,,Du hast Huaisang und... und Huan hat seine Familie und dich und jetzt.... jetzt hat er Cheng..." Presste Yao heraus. ,,Ich..." Yao schniefte. ,,Ich fühle mich, als wäre ich für niemanden wichtig genug. Als würde ich nur an Dritter oder vierter oder allerletzter Stelle stehen. Auf mich passt niemand auf. Wenn ich aufhöre, meine Spielchen zu spielen gehe ich unter. Was glaubst du, wie ich all die Jahre in dieser Familie überleben konnte? Ich bin nicht mal Zuhause in Sicherheit. Mingjue. Egal wo ich hingehe, ich muss ständig auf der Hut sein. Ich bin so müde davon... Ich will... mich einfach..." Yao's Stimme bebte und er sah verzweifelt zu Mingjue auf. ,,Ich will mich einfach mal sicher fühlen... und ich weiß nicht,... wie ich danach fragen soll... ob ich es mir erlauben kann, nach allem, was ich dir angetan habe, danach zu fragen... Mingjue..." Yao hielt kurz inne, denn er hatte das Gefühl, ihm fehlte die Luft. ,,Ich weiß, du glaubst mir das nicht, aber ich habe nie einen von euch bevorzugt. Wenn wir zusammen waren, ging es mir immer gut. Ich konnte vergessen, dass ich in meiner Familie niemals den selben Wert haben werde wie mein Bruder. Und ich hab mich so bemüht, meinem Vater zu gefallen! Nicht mal jetzt, wo ich dieses verdammte Zeichen trage, bin ich Teil dieser Familie aber Huan und du, ihr habt mich trotzdem aufgenommen und mich behandelt, als wäre ich euch ebenbürtig. Ich will wieder bei euch sein und dass es wieder so wird wie früher und der Gedanke, dass Cheng nun da ist, macht mir Angst. Ich hab so viel kaputt gemacht, dass ich befürchte...." Yaos Stimme klang immer aufgebrachter und er hatte garnicht bemerkt, wie seine Hände sich in seiner Robe festgekrallt hatten. ,,dass ihr mich bald ersetzt!" Weinte Yao nun bitterlich und er fühlte sich nun sehr angreifbar, denn ihm war bewusst, dass er gerade seine Maske komplett fallen ließ. Dieser Abend hatte ihm einfach zu viel Energie gekostet. ,,Mingjue,... Ich will Huan nicht verlieren." Schluchzte Yao nun leise, bevor er den Blick wieder zu Mingjue hob. ,,Ich will dich nicht verlieren! Und trotzdem mache ich alles falsch... hilf mir..." Die letzten beiden Worte waren so dünn, dass Yao nicht sicher war, ob Mingjue sie gehört hatte, doch er hatte sich nun aus seiner verkrampften Haltung gelöst und seine Arme um Mingjues Taille geschlungen. Sein Gesicht grub er in dessen Robe. Yao wusste nicht recht, wie es passiert war, dass er nun so viel sagte, doch vielleicht war es die Tatsache, dass er wusste, wie ehrlich Nie Mingjue war und ihm vielleicht wirklich etwas an Yao lag. Auch wenn es für ihn kaum Fassbar oder zu unwirklich war.
Cheng nickte leicht, als Qiren sagte, dass er hier nicht so förmlich sein musste. Er verstand zwar, dass das hier ein anderer Rahmen war, als in der Schule, aber es wsr trotzdem ungewohnt, denn schließlich war Lan Qiren sein Lehrer. ,,Vielen Dank." Sagte er trotzdem nochmal. Das konnte er nicht abstellen. Während sie über ihr Vorhaben sprachen, bemerkte Cheng ebenfalls die fragenden Blicke von Huans Onkel und er wusste nicht, ob es vielleicht unhöflich war, ihn nicht aufzuklären. Doch vielleicht hatte Cheng dafür auch gerade nicht die nötige Stärke. Huan überraschte ihn dann mal wieder. Er schien so etwas wie einen sechsten Sinn für die Gefühle anderer Menschen zu haben. Eine kleine Gefühlsregung und Huan war sofort wieder aufmerksam. Cheng konnte es kaum fassen. Er war das überhaupt nicht gewohnt, dass sich jemand um ihn kümmerte. Entsprechend zwang er sich zu einem Lächeln, das aber etwas verzerrt aussah. Huans warme Hand auf seiner, gab ihm aber gleich wieder etwas mehr Sicherheit. Cheng errötete dabei jedoch leicht. Er war es nicht gewohnt, so offen vor Erwachsenen zu zeigen, wie nah er Huan stand. Einen Moment ging Chengs Blick unauffällig und prüfend zu Lan Qiren. Ob dieser sich daran störte, dass Huan so vertraut mit Cheng war?
Er hob den Blick und sah von Huans schlanken Fingern in dessen Gesicht und das fühlte sich gleich schon an, als würde ihm jemand eine Last von den Schultern nehmen. Cheng war noch immer angespannt, doch jetzt war er sich etwas sicherer, dass er das alles überstehen konnte. ,,Danke, Huan..." Sagte er leise und drehte seine Hand leicht unter der von Huan, um dessen Hand zu greifen. Huans Haut fühlte sich warm und heilsam an.
Cheng wäre am liebsten an ihn heran gerückt, doch das traute er sich vor Qiren nicht. Doch nun hob auch er wieder den Blick und warf einen Blick nach draußen. Stimmt... Lan Zhan war noch immer nicht da. Hoffentlich hatte Wei Ying ihn nicht schon wieder aufgehalten....
Xuanyu war aufmerksam genug, zu sehen, was Zhan da gerade tat. Er hatte den Blick des älteren Mannes durchaus auf sich gespürt, so wie auch den flüchtigen Bloick von Zhan. Als dieser dann die Sicht mit seinem Ärmel verdeckte, war es an Xuanyu verblüfft zu sein. So viel Anstand hatte ihm gegenüber niemand. Dieser Lan Zhan schien ein wahrer Gentleman zu sein. Xuanyu richtete sich wieder auf und schenkte ihm ein verschmitztes Lächeln. „Vielen Dank.“ Sagte er und lies seine Braue in die Höhe zucken, allerdings sehr elegant. Er ging Zhan jetzt vielleicht noch bis zur Schulter. Ein leichtes Nicken von seiner Seite, als Zhan sagte, wo er hin musste, als Zeichen dafür, dass er ihn begleiten würde. „Na dann. Lass uns gehen.“ Sagte er und gestikulierte spielerisch mit seinen HighHeels in die Richtung, in die sie mussten. Doch dann musste er leicht kichern. „Oh, du bist ja zu süß. So besorgt. Das finde ich sehr aufmerksam.“ Sagte er angetan und hinderte sich selbst daran, Lan Zhan an die Brust zu tippen, denn dieser schien für Berührungen von Fremden wirklich nicht empfänglich zu sein. „Mach dir keine Sorgen um meine kleinen Füßchen, die sind einiges gewohnt. Und am Montag geht’s eh zur Pediküre, also... was solls.“ Xuanyu klimperte ihn aus seinen großen Augen an und sein Lächeln wurde wieder etwas breiter. „Ich bin Mo Xuanyu. Aber du mein Schatz, darfst mich nennen wie du willst.“ Xuanyu hatte sich zuvor schon etwas von Zhan weggedreht und zum Gehen angesetzt, doch nun schaute er ihn über seine Schulter hinweg süßlich an. „Es ist wahr, was man sich über die berühmten Twin-Jades erzählt. Obwohl dein Bruder ja etwas höher im Kurs steht, finde ich dich ganz reizend. Und du bist ein wahrer Gentleman. Da können sich all die Männer hier mal eine Scheibe von abschneiden.“ Seufzte er theatralisch und machte eine einladende Geste, dass Zhan neben ihm herlaufen sollte. „Und jetzt bringen wir dich aus diesem Zirkus hier mal raus. Das ist eine ganz unangenehme Gesellschaft heute abend.“ Stöhnte er und verdrehte dabei übertrieben die Augen. Wissend, dass eine Gruppe Herrschaften, die neben ihnen standen, das gehört und sich verwundert zu ihm umgedreht hatten.
Wei Ying hatte sich einen weiteren Drink mit seinem Vater geholt und lies seinen Blick über die Menge schweifen. Da sah er Lan Zhan wieder und bei ihm... Wei Ying legte den Kopf etwas schief, als er die schräge Person sah, die da bei ihm war. Er kannte ihn vom Sehen her und wusste, dass sämtliche Leute ihn für verrückt hielten. Was wollte der denn bei Lan Zhan? Das kam ihm seltsam vor, gerade weil er wusste, dass sein Freund sich normal vor allen Menschen scheute. Wei Ying kam nicht umhin, die beiden zu beobachten und sich merkwürdig dabei zu fühlen.
Xingchen war sehr erleichtert darüber, dass seine Tante Yang so positiv und unvoreingenommen begrüßte. Das war eigentlich eine Reaktion, die er sich auch vom Rest seiner Familie erhofft hatte. Aber es war wohl doch etwas zu naiv von ihm gewesen, zu glauben, dass seine Familie mal nicht auf den sozialen Status einer Person schauten, sondern auf den Charakter... traurig.
Über Xue Yangs leisen Kommentar schmunzelte Xingchen dann allerdings. Das war ja leider wahr.... ob es etwas gutes war, zu dieser Familie zu gehören? „Sehr gerne. Ich glaube, er hat auch nichts dagegen.“ Sagte Xingchens Tante und lies die beiden wieder alleine.
Dieser eilte sogleich Xue Yang nach und konnte anhand der Geräuschkulisse hören, dass sie sich an den Rand des Saals verzogen hatten. Bei Yangs Worten seufzte Xingchen für seine Verhältnisse wirklich schwer. Sein Lächeln verschwand nun auch und er senkte etwas den Blick. „Ich schäme mich für meine Eltern.“ Sagte er nun ganz offen. „Für ihre überhebliche Art. Wieso denken sie, sie wären so viel besser, als alle Menschen, die weniger Geld oder Ansehen haben? Das ist so verdammt oberflächlich und eigentlich will ich garnicht Teil einer solchen Gesellschaft sein.“ Gab Xingchen nun frustriert zu. „Ich würde hier gerne ausbrechen. Meine Tasche mit dem Nötigsten packen und mit dir weglaufen.“ Er lächelte leicht, doch man konnte hören, dass er es ernst meinte. Xingchen tastete nach Yangs Hand und drückte diese, hob sie dann zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss auf den Handrücken. „A-Yang. Du machst noch einen kleinen Rebellen aus mir.“ Nun schmunzelte Xingchen doch wieder ein bisschen.